Die sechs Suggestionen der Gegner der Digitalisierung in der Bildung (IMHO)

Seit einiger Zeit mache ich einen neuen Trend bei den Gegnern (oder positiv formuliert: den Skeptikern) der Digitalisierung der Bildung aus. Sie arbeiten deutlich stärker mit Suggestionen, wobei die Tendenz dazu zuvor vorhanden war.


Diese Suggestionen werden als Fakten deklariert, um die eigenen Thesen zu stützen. Als neues Beispiel dient mir der Artikel "Ende der Kreidezeit" (vgl. [1]), da sich daran die „gängigen“ Suggestionen verdeutlichen lassen:

  • Den Freunden der Digitalisierung geht es nur um die Technisierung der Bildung.
  • Die Freunde der Digitalisierung verhindern daher eine Didaktische Umsetzung.
  • Die Freunde der Digitalisierung werfen somit die Bildung der IT-Firmen zum Fraß vor.
  • Die Freunde der Digitalisierung stehen für stumpfsinnige Programmierung ohne Ethik.
  • Die Freunde der Digitalisierung verharmlosen die Gefahren der Technik.

Diese Punkte sind Suggestionen, da sie etwas angeben, dass mit der Realität nichts zu tun hat. Kein ernsthafter Pädagoge, der für die Digitalisierung steht, würde nur einen dieser Sätze für sich beanspruchen. In keiner Veröffentlichung finden sich diese Behauptungen und Meinungen. Es ist eine reine Suggestion von Seiten der Gegner der Digitalisierung. Es ist daher ein Hohn, dass Prof. Dr. Gerald Lembke behauptet, er gehöre zu denen, die Chancen und Risiken sehen. Seine Argumentation in dem Interview (vgl. [2]) weist auf etwas anderes.

Um dieser Suggestion Glanz zu verleihen, wird auf hohem Niveau geschwafelt. Bei dem Artikel, auf dem ich mich beziehe, werden Analogien zur französischen Revolution bemüht. Es ist mir zu mühselig darzulegen, dass der Vergleich absolut unangemessen ist.
Wenn dies nicht ausreicht, wird darauf verwiesen, dass Studien ihre Behauptung unterstützen. Konkrete Studien werden selten genannt. Wenn diese genannt werden, stellt man bei näherer Betrachtung fest, dass diese nicht sinngemäß wiedergegeben wurde.
Oder es wird ein Hohelied auf das Analoge gesungen. (vgl. [3, 4]) Oder es wird einfach etwas behauptet, ohne zu begründen, beispielsweise, dass Lesen am Tablet, nichts mit Lesen zu tun hat (vgl. [4]). Die Behauptung, dass Lesen wichtig ist, ist korrekt, aber die Herleitung, dass dies mit neuen Medien nicht möglich sei, ist absurd, betrachtet man die E-Book-Reader oder Tablets, auf denen Zeitungsartikel gelesen werden können.

Interessanter sind dann die Vergleiche. So wird die Automobilisierung herangeführt. Es wird dargelegt, das mit dem Auto zunächst das Netzwerk geschaffen wurde. Dafür wird behauptet, dass man bei der Digitalisierung auf diese Infrastruktur verzichten möchte. Im Grunde ist dies ebenfalls eine Suggestion, denn seit Jahrzehnten wird darum gekämpft und gebettelt, dass in die Infrastruktur investiert wird. Wenn eine Investition vorgenommen wird, dann wird von den Gegnern Punkt drei der Suggestionen herangeführt. Ich zähle dies nicht mit zu den obigen Punkten, da dies spezifisch für den Artikel gilt.

Der neue Trend hinsichtlich der Suggestionen ist eine scheinbare Umkehrung der eigenen Position:
Die Gegner der Digitalisierung stehen für eine didaktische Umsetzung der digitalen Bildung.
Hierbei betonen die Gegner die Bedeutung der digitalen Umsetzung. Dabei beschränken sie sich auf kleine Themengebiete und Aufgabenfelder. Diese Einschränkung lässt eine sinnvolle didaktische Umsetzung der Digitalen Medien nicht zu. Es ist somit eine Suggestion, um vermutlich nicht als absolute Nein-Sager dazustehen oder um den Schein zu wahren.

Ein wichtiges Anliegen für die Skeptiker ist, dass das Eintrittsalter bei Schülerinnen und Schüler für digitale Medien irgendwo zwischen 12 und 14 Jahre sein sollte. Unbeaufsichtigt erst ab 18 Jahren (vgl. [5]). Diese Forderungen sind fern jeglicher Realität. Sie wehren sich gegen eine Digitalisierung in der Grundschule oder Kindergarten. Das Motto: erst Grundlagen wie lesen, schreiben und rechnen aneignen und dann Medienkompetenz einüben. In diesem Zusammenhang wird gerne das Beispiel gebracht, dass man Informatik auch ohne Computer lernen kann. Diese Argumente kann ich aus den folgenden Gründen nicht nachvollziehen:

  1. Digitale Medien bestimmen unseren Alltag. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, die Medienkompetenz so früh wie möglich anzusetzen. 12 Jahre ist definitiv zu spät, denn pädagogisch, wie biologisch kann man ab diesem Alter Gewohnheiten schwer ändern.
  2. Im Fach Informatik besteht keine feste Grenze zwischen analog und digital. Beide "Regionen" werden angesprochen und benötigt, um die Inhalte nachzuvollziehen. Dies ist ebenfalls in der Schule möglich.
  3. Aus Punkt 2 betrachtet, ist es sinnvoll Medienkompetenz und den Erwerb von Grundlagen zusammen zudenken. Es ist möglich, dass mit Medien das Lesen, Schreiben und Rechnen erlernt und gefördert wird. Der Grund, dass Medien keinen Mehrwert bringen, liegt alleinig in der Umsetzung.
  4. Der Zug für eine Altersbeschränkung ist definitiv abgefahren. Die Medien werden genutzt und gefördert, ob man dies nun wünscht oder nicht. Man sollte lieber an der Förderung von Medienkompetenz arbeiten.
Insgesamt betrachtet, erreicht man mit diesen Suggestionen eine Verklärung des Analogen. (vgl. [7])

Diesen Artikel hatte ich schon länger in der "Mache", d.h. vor dem Jahreswechsel. Vor kurzem bin ich auf den Artikel "Anwärter auf Anti-Digital-Argumente-Bingo-Preis 2019 bereits Anfangs Januar!" von Beat Doebeli (vgl. [6]) gestoßen, der zeigt, dass meine Vermutung richtig ist, dass es wohl ein Schema zu geben scheint.

Quellen
[1] https://www.nzz.ch/feuilleton/das-ende-der-kreidezeit-ld.1397941
[2] https://bildungsklick.de/schule/meldung/smartphones-und-apps-haben-bis-heute-keine-realen-probleme-geloest/
[3] https://klartext.unverschluesselt.net/handyverbot-an-schulen/
[4] http://m.faz.net/aktuell/feuilleton/hoch-schule/warum-schueler-lieber-mit-dem-buch-lernen-15833106.html
[5] https://rp-online.de/leben/gesundheit/medizin/manfred-spitzer-smartphone-sollte-erst-ab-18-jahren-genutzt-werden_aid-33952593
[6] http://blog.doebe.li/Blog/AnwaerterAufAntiDigitalArgumenteBingoPreis2019
[7] https://sozpaed99.blogspot.com/2018/06/die-verklarung-des-analogen-imho.html

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