Knapp genau ist auch getroffen (IMHO)

Die Hattie-Studie geht in eine weitere Runde (vgl. [1]). Wenig überraschend ist die Kernaussage, dass der Lehrer entscheidend für den Unterricht ist. Die Wirkung von digitalen Medien auf den Unterricht wird ebenfalls näher betrachtet. Dabei bescheinigen sie diesen eine geringe Wirkung auf den Unterricht. Naturgemäß stürzen sich die Medien auf diese Aussage, um "kritisch" über den Sinn von Medien im Unterricht zu berichten (vgl. [1, 2, 3]).

Davon abgesehen, dass die Studie unter Pädagogen umstritten ist, bin ich mir beim Autor, Prof. Dr. Klaus Zierer, der diese Studie als Grundlage für seine Veröffentlichungen nutzt, hinsichtlich seiner Ausrichtung unschlüssig. In einem Interview (vgl. [3]) zeichnet er sich durch Medienkritik aus, mit der er vermutlich ein Anwärter auf den Anti-Digital-Argumente-Bingo-Preis wäre (vgl. [4]). Dass das Interview kein "Ausrutscher" war zeigte er mit seinem Buch "Lernen 4.0" (vgl. [7]). Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Presse die Studie als Beweis sieht, dass die digitale Medien nichts im Unterricht zu suchen haben. Er verbiete sogar in seinen Vorlesungen Laptops und Tablets. Es irritiert, dass er dennoch nicht ganz abgeneigt ist, Medien einzusetzen, denn dies betrachtet er als weltfremd. Er sieht die Vorteile in einzelnen gezielten Anwendungen. Ich schätze, dass diese Darlegung ebenfalls zum Bingo gehören könnte, da dies zur Standardargumentation der Gegner gehört. Es scheint, als würden sie den Befürwortern damit einen Brocken zu werfen wollen.

Ich lese die Studie anders:
  • Kein Unterricht wurde schlechter durch digitale Medien. In jedem Fall gleich oder besser, somit sehe ich dies als positiven Effekt. Aus dieser Überlegung leitet sich der Titel ab.
  • Würde in die Ausbildung und Fortbildung bezüglich der Neuen Medien mehr investiert, dann wäre der Effekt deutlich positiver ausgefallen, denn dies zeigte diese und die Hattie-Studie zuvor (vgl. [1, 6]).
  • Die Auslegung der Studie legt nahe, dass man auf digitalen Unterricht verzichten sollte. Diese Auffassung ist in der jetzigen Situation im Hinblick auf die Vorbereitung auf die Berufswelt und in der Betrachtung des aktuellen Standes der Medienbildung (der aktuelle Hacker-Skandal bei Politiker und Journalisten fällt da rein) nicht tragbar. Vielmehr sollte der Umkehrschluss sein, mehr in die Ausbildung der Lehrkräfte in diese Richtung zu unternehmen, damit digitaler Unterricht sinnvoll funktioniert, denn er ist jetzt schon mindestens gleich oder effektiver.
  • Die Auslegung suggeriert, dass die Befürworter rein auf die Technik setzen. Diese Auslegung ist falsch, da weder diese Studie noch andere Berichte diese Bestrebungen belegen. Vielmehr sollten wir die Grabenkämpfe beilegen und uns endlich um sinnvolle Konzepte bemühen.
  • Die Auslegung suggeriert, dass man mit analogen Mitteln immer einen guten Unterricht erstellt. Betrachtet man die Ergebnisse der Studie genau, ist eine solche Schlussfolgerung nicht nachvollziehbar. Eher ist es so, dass digitale Mittel mindestens zu einem ebenbürtigen Unterricht führen.
Ich finde es bedauerlich, dass eine solche Studie, die trotz aller Kritik viel Potenzial bietet, auf diese Weise reduziert wird, um den Grabenkrieg weiterzuführen (vgl. [8]). Parolen wie "Lernen bleibt Lernen" (vgl. [1]) oder Schlagzeilen "Der Lehrer ist wichtiger als das Tablet" (vgl. [3]) oder "Revolution sieht anders aus" (vgl. [1]) helfen nicht weiter, diese Studie entsprechend zu betrachten. Zierer erweist seinerseits dem Thema einen Bärendienst, wenn er Interviews wie bei der "Augsburger Allgemeinen" abgibt (vgl. [3]) und Bücher mit dem Titel "Lernen 4.0" (vgl. [7]) veröffentlichen lässt.

Vielleicht wartet man einfach auf das Buch, das dazu erscheint. Denn Zierer kann sich nämlich sachlich mit dem Thema auseinandersetzen (vgl. [9]) und in Koorperation interessante Kurse anbieten (vgl. [10]), die eine negative Haltung der Digitalisierung nicht vermuten lässt. Ebenfalls erklärt sich an anderer Stelle sein Ansatz "Lernen bleibt Lernen" (vgl. [11]), der sich dadurch besser nachvollziehen lässt.

Seine Meinung zu diesem Thema bleibt mir ein Rätsel, denn besonders ein Kommentar von ihm zeigt, dass er beispielsweise mit dem Slogan "Pädagogik vor Technik" unterschwellig unterstellt, dass die Befürworter der Digitalisierung dies nicht im Blick haben und nicht so angehen (vgl. [12, 7]). Dies ist eine klassische Suggestion der Gegner der Digitalisierung (vgl. [13]). Auf der anderen Seite scheint er sich stark zu machen, um die Medienbildung und Medienkompetenz in der Lehrerausbildung zu fördern.

Zum Schluss bleibt mir zu sagen: Gegenhalten kann man, dass es Studien gibt, die den positiven Effekt bescheinigen, ohne polemischer Interpretation auskommen und ohne Tamtam auskommen, weil Bücher verkauft werden müssen (vgl. [5]).


Quellen
[1] https://www.sueddeutsche.de/bildung/digitalisierung-schule-tablet-1.4275720
[2] http://www.haz.de/Nachrichten/Medien/Netzwelt/Machen-digitale-Medien-den-Unterricht-besser
[3] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Der-Lehrer-ist-wichtiger-als-das-Tablet-id43141521.html
[4] http://blog.doebe.li/Blog/AnwaerterAufAntiDigitalArgumenteBingoPreis2019
[5] https://www.mdr.de/sachsen-anhalt/digitale-medien-nutzen-schueler-100.html
[6] https://sozpaed99.blogspot.com/2017/07/bitte-sachlich-bleiben-imho.html
[7] https://axelkrommer.com/2018/04/16/warum-der-grundsatz-paedagogik-vor-technik-bestenfalls-trivial-ist/
[8] https://sozpaed99.blogspot.com/2018/12/endlich-ende-der-kreidezeit-imho.html
[9] https://www.news4teachers.de/2018/09/digitale-bildung-worauf-es-beim-computer-einsatz-im-unterricht-wirklich-ankommt-ein-interview-mit-dem-bildungsforscher-klaus-zierer/
[10] https://mooc.house/courses/lernen40-2018
[11] https://www.die-debatte.org/digitalisierte-kindheit-interview-zierer/
[12] https://www.qualitaetsoffensive-lehrerbildung.de/de/kommentar-digitalisierung-und-lehrerbildung-1876.html
[13] https://sozpaed99.blogspot.com/2019/01/die-sechs-suggestionen-der-gegner-der.html

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